Trageschwäche

Biomechanik, Trageschwäche, Topline-Syndrom

Natürliche Voraussetzungen

Kein Pferd ist zum Tragen von Gewicht oder Reiten geboren, wohl aber ist es für diese Nutzung geeignet.

Solange ungerittene Pferde artgerecht, im Herdenverband mit viel freier Bewegung auf verschiedenen Untergründen in hügeliger Landschaft und mit angepasster Fütterung gehalten werden, ist und bleibt die thoraxale Muskelschlinge meist gut in Funktion; die Tiere sind ausbalanciert und verfügen über funktionale Muskulatur zur Stabilisierung sowie zur Bewegung.

 

Verletzungen, Boxenruhe, fehlendes oder bio-negatives Training und eingeschränkte freie Bewegung sind die häufigsten Gründe für ein Absacken des Brustkorbs.


Die Gute Nachricht: Trageschwäche ist in den meisten Fällen reversibel!

Moderne Zucht

Die moderne Pferdezucht hat unsere Reitpferde in den letzten Jahren mit rasanter Geschwindigkeit verändert.

Sie haben enorm an Gang- qualität, Elastizität, Rittigkeit, Sensibilität und Beweglichkeit gewonnen.

Kein Vergleich mehr zu den 'alten, steifen Bahnschwellen-Typen' von früher...

 

Der Anteil der Bewegungs-

muskulatur ist heute schon beim ungerittenen Pferd optisch imposant, sehr leistungsfähig und verleitet damit zum schnellen Voranschreiten in der Ausbildung. Umso mehr bedürfen diese Pferde zur Gesunderhaltung der Kräftigung der so wichtigen passiven Tragestrukturen (Faszien, Sehnen, Band- und Gelenksstrukturen); oftmals bleiben aber genau diese bei der Ausbildung auf der Strecke. Die daraus entstehende mangelnde Rumpfstabilität führt dann all zu oft schleichend zu den oben beschriebenen Problemen in Balance, Rittigkeit und Gesundheit.

 

Die Gliedmassen werden im Verhältnis zum Rumpf länger und die Schulterblätter liegen deutlich schräger, um eine ausdrucksstärkere Vorhandaktion zu ermöglichen, wodurch sie weiter in den vorderen Teil des Rumpfes hinein ragen. Auch die Distanz zwischen dem letzten knöchigen Teil des Schulterblattes (Scapula), hinter dem das Kopfeisen des Sattels liegen muss und der tiefesten Stelle des Rückens, wo der Schwerpunkt von Sattel und Reiter zu liegen kommen soll, verkürzt sich dadurch teils erheblich. Als Konsequenz verbleibt weniger Platz für den Sattel, der Rücken wirkt kürzer und solche Pferde benötigen in der Konsequenz andere Sattelbaum- und Kissenformen, Begurtungen und anatomisch richtig geformte Sattelgurte als die 'alten' Warmbluttypen.

Solche Pferde erzeugen schon allein aufgrund ihres Gebäudes und Halsansatzes eine 'Bergauf-Optik', die häufig leider in einem krassen Gegensatz zu ihrem tatsächlichen Ausbildungs- stand sowie ihrer Stabilität und Balance steht. Wird die diesbezügliche Förderung vernachlässigt, geraten die Pferde vielfach unbemerkt in die bekannten Defizite der Trageermüdung.

Balance & Stabilität


Um die Gewichtsbelastung langfristig ohne gesundheitliche Nachteile aushalten zu können, bedarf es aber eines gezielten Trainings.


Wird das Heben und Aufwölben von Widerrist und Brustwirbelsäule beim Reiten und/oder vom Boden nicht regelmäßig aktiv trainiert, folgt der Rumpf der Schwerkraft und sackt nach unten, die thorakale Muskelschlinge funktioniert nicht mehr richtig. Die Rumpfträger werden immer schwächer und geraten in Dysfunktion.


Als Folge büsst das Pferd schleichend seine vertikale und laterale Balancefähigkeit ein und die Bewegungsmuskulatur beginnt sich zunehmend zu verspannen, da sie versucht so den Mangel an natürlicher - durch die Rumpfträger sichergestellter - Balance und Stabilität zu kompensieren.


Die Pferde zeigen in diesem Stadium häufig mangelnde Losgelassenheit, wenig Fleiß, schlechte Dehnungs- und Biegungsbereitschaft oder auch Widersetzlichkeit; oft suchen sie auch eine Stütze auf der Reiterhand oder gehen gegen die Hand, rollen den Hals auf, zeigen wenig Durchlässigkeit, reduzierte Schub- und Tragkraft und ihre Bewegungsmuster sind oft - wenn auch teils spektakulär - nicht wirklich elastisch und raumgreifend.

Diagnosen wie Fesselträgerschäden, Kissingspines, Hufrolle u.v.m. können die mittelfristig möglichen Folgen einer Trageermüdung sein.


Ursache ist ein grundsätzliches Wirkprinzip, das für Mensch wie Pferd gilt: die Antagonistenhemmung.

Soll eine Muskelgruppe anspannen können, ist hierfür nötig, dass die Gegenspieler sich dehnen also verlängern können. Dies ist über neuronale Reflexe im Gehirn so verschaltet. Für die Tragefähigkeit des Pferdes ist dieser Mechanismus extrem wichtig. Pferde, die mit einem verspannten, tiefen Rücken gehen müssen, können ihre Rumpfträger und die Bauchmuskulatur nicht adäquat ansteuern.

 

Das gleiche Prinzip gilt für alle anderen Körperareale des Pferdes und natürlich auch des Menschen und kann immer bio-positiv oder auch bio-negativ genutzt werden.


Training - Ja bitte, aber bio-Positiv

Planloses Freizeitreiten kann genauso schädlich sein wie bio-negatives leistungssportliches Training.


Pferdegerechtes Training ist also alternativlos für Alle denen die Gesunderhaltung Ihres Freizeit- oder Sportpartners am Herzen liegt.  Erfolgen kann es nach individueller Präferenz sowohl durch gutes Reiten wie auch durch Bodenarbeit, Hangbahn-Training, Longen- und Stangenarbeit, statisches Faszientraining oder eine Mischung daraus.

Fokussieren Sie sich auf das, was Ihnen am leichtesten fällt umzusetzen!


Denn, das WIE macht den Unterschied, ob es fürs Pferd gesund oder schädlich ist. Und gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht!


Der individuell auch nach biomechanischen Grundsätzen richtig ausgewählte Sattel kann Pferd und Reiter das bio-positive Training erleichtern. Das WIE macht den Unterschied, ob Reiten fürs Pferd gesund oder schädlich ist. Und gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht!


Schlecht gewählte Ausrüstung hingegen kann diese Aufgabe deutlich erschweren oder gar fast unmöglich machen. Hier spielt insbesondere die Wahl der optimalen Sattelbaum-Form zur jeweiligen Oberlinie des Pferdes eine entscheidende Rolle.


Hier gibt's eine tolle - auch für Laien verständliche - ausführliche, bebilderte Erklärung von Birte Heinsen. Achtung!

Der Blog kann süchtig auf Weiterlesen machen ;-)


Blog Fittipaldi's Weg aus der Trageerschöpfung

Weitere interessante Informationen zu diesem topaktuellen Thema finden Sie auch unter https://www.die-pferde-sind-nicht-das-problem.de/blog

Beim bio-positiven Training können wir uns dieses Grundprinzip des Zusammenarbeitens von Muskeln zu Nutze machen: Wir bringen das Pferd dazu die Bauchmuskulatur anzuspannen und heben damit den Rücken. Gleichzeitig entspannen wir dadurch die Rückenmuskulatur, die nun wieder frei wird als Bewegungsmuskulatur ihre eigentliche Aufgabe zu erfüllen.


Bei der Korrektur von Pferden mit Trageermüdung gilt es die hypertonen (verspannten) Bereiche zu detonisieren (entspannen) und dadurch die eigentlich für das Tragen und Rumpfheben verantwortlichen Antagonisten (thoraxale Schlinge) wieder in Funktion zu bringen. 

Natürlich lösen sich dadurch nicht sofort alle Trageprobleme in Luft auf. Aber das Pferd bekommt die Möglichkeit, die richtigen Bewegungsmuster (wieder) zu erlernen. Ein dauerhafter Erfolg wird sich nur über häufige Wiederholungen und gleichzeitigen Muskelzuwachs an den richtigen Stellen einstellen. Dies ist der langsame Weg zum nachhaltigen Ziel.


Ergänzend zu klassisch gutem Reiten mit passender Ausrüstung, biopositivem Training und Achtsamkeit kann Horse-Bodyforming nach Franz Grünbeck interessierten Pferdebesitzer helfen ihre Tiere vom Boden aus mit einem ganz speziellen Training aus dem negativen Kreislauf von Trageermüdung, Schmerz etc. herauszuholen bzw. junge Pferde bereits vor dem Anreiten proaktiv zu stabilisieren und vorzubereiten.

Erklärungen, Produkte, Ansprechpartner und Seminare in Ihrer Nähe finden Sie unter https://www.horse-bodyforming.com.

Gesichter der Trageschwäche

Trageermüdung spiegelt sich in verschiedener Weise im Exterieur unserer Pferde:

Nicht jedes scheinbar mangelhafte Gebäude ist wirklich angeboren - manches ist auch erworben und deshalb eventuell reversibel.


Zitat Pferdetherapie Diana Landskron: die Rumpftragemuskulatur:

 

Eine mögliche äußere Form von Trageermüdung: Der Rumpf sackt zwischen den Schulterblättern ab, der Hals wirkt dadurch tief angesetzt, zeigt einen leichten 'Axthieb', die Oberlinie steigt deutlich an, das Pferd wirkt überbaut und 'bergab' konstruiert.

 

Und hier eine zweite:  Der Rumpf ist wiederum abgesackt, das Durchhängen des Rückens im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule ist sehr deutlich in Form eines Senkrückens erkennbar. 

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